Samstag, 25. Februar 2023

Professor Harald Münkler: Interview im Kölner Stadt-Anzeiger

 

Quelle : Kölner Stadt-Anzeiger

Professor Harald Münkler, Autor von zum Beispiel "Marx, Wagner, Nietzsche: Welt im Umbruch", ein Buch, das mir als geschätztes Präsent überlassen wurde, hat nicht nur an der Humboldt-Universität, Berlin, während seiner Lehrtätigkeit für teilweise erhebliche intellektuelle Unruhe gesorgt, nein, inzwischen emeritiert, hat er jetzt, bildlich gesprochen, eine Salve schwerer Vorwürfe gegen die Initiative "Aufstand für den Frieden" von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer gefeuert.

Was missfällt ihm?  

Da ist zunächst die "Vorstellung der Autorinnen und Autoren" des Manifestes aus Anlass des einjährigen Jahrestages des Einmarsches russischer Truppen in die Ukraine, man müsse nur "Frieden" rufen und könne mittels dieses Rufes beziehungsweise dessen Beschwörung "Frieden" herstellen. 

Das sei ihm "zuwider", zutiefst zuwider! Er nähme es "besonders übel", dass die schwierige Arbeit am Frieden und für den Frieden in der Welt derart simplifiziert würde, fast so - dabei handelt es sich um meine Interpretation der Intentionen Professor Münklers - als müsse man in jene Zeit der hominiden Entwicklung zurückkehren, in der im Kreise rhythmisch sich windender Schamanen mit Gesangsanrufungen des Regengottes Niederschläge herbei zu zaubern gesucht wurden. (Wir wissen inzwischen, wie häufig das gescheitert ist, wissen aber auch, wie sehr gemeinschaftlicher Zusammenhalt dadurch gestärkt wurde, eine Art kollektiver Hoffnung entstand).

Professor Münkler sieht durch das "Manifest" die "gesamte Idee des Pazifismus" "desavouiert". Wer das Wort "Frieden" nicht nur für eine "Wünsch-dir-was-Vokabel" hielte, der müsse dem "Manifest" entschieden "entgegentreten". 

Die Kategorien von Angriff und Verteidigung würden nivelliert, Pazifismus sei aber keine "Unterwerfungsbereitschaft".

Beim Lesen dieser Stelle im Interview stellte der Autor dieser Zeilen fest, dass er einem der profiliertesten Politologen und Kriegsanalytiker geistig nicht mehr zu folgen vermochte. 

Ist es denn nicht immer so, dass eine pazifistische Grundhaltung erst dann zum Tragen kommt, wenn jemand angegriffen wird. Es gibt zahlreiche Abstufungen pazifistischer Gesinnung, aber wenn kein Angriff erfolgt, dann ist auch kein Pazifismus erforderlich, denn es herrscht Frieden.

Zu behaupten, ich bin Pazifist, sollte aber ein Angriff erfolgen, dann werde zurückgeschlagen, wenn nötig mit Panzern und schwerer Artillerie und werde jeder Fußbreit Erde des geliebten Heimatlandes durch die dazu abkommandierten Soldaten zurückerobert, wird Professor Münkler doch wohl nicht Pazifismus nennen wollen? 

Der gelebte Pazifismus setzt den Angriff voraus und bewährt sich erst dann! Die Vorgabe eines Pazifismus, die im Falle des Angriffes sich wandelt in aktive Kriegsteilnahme, wäre nichts weiter als Koketterie mit einer vermeintlich überlegenen moralischen Haltung.

Die Behauptung Professor Münklers, das Manifest "desavouiere" den Pazifismus, scheint mir bedenklich substanzlos in ihrer logischen Stichhaltigkeit und wahrscheinlich inzwischen einem vergleichbaren Kriegswahn geschuldet, wie er vor dem ersten Weltkrieg und noch Jahre während des Krieges den Geist so vieler Menschen verwirrte.

Pazifismus erfordert, dem Aggressor Raum für seine Aggression einzuräumen, in der Hoffnung, dass durch die ausbleibende Gegenwehr die Aggression abklingt und dadurch der Schaden insgesamt viel geringer ausfällt, Frieden viel schneller wiederhergestellt wird, als wenn es durch eskalierende Gegenwehr zu einer Lage kommt, die wir heute in diesem Krieg haben, dass beide Seiten Ströme von Blut opfern und die Gefahr groß, dass es noch viel grausamer und blutiger für viel mehr Mitmenschen werden wird. 

Nähme die Ukraine die russischen Bedingungen für Frieden an, wie sie der russische Regierungssprecher Peskow wiederholt benannt hat: "Anerkennung der Krim als russisches Territorium, Anerkennung der Unabhängigkeit der beiden „Volksrepubliken“ im Donbass und die Verankerung der Neutralität in der Verfassung der Ukraine" (Quelle FAZ, 7. März 2022), so scheint mir das keine "Unterwerfung" zu sein, sondern Verhandlungsvorschlag von russischer Seite, der durch aktives Verhandeln seitens der Ukraine zu modifizieren wäre. 

Kompromisse können schmerzhaft sein, doch wären diese Schmerzen in ihrer Summe viel, viel weniger quälend, als das Elend, das wir nach einem Jahr Krieg beklagen müssen und dessen Ende nicht abzusehen ist.

Eine Fortführung des Krieges birgt die große Gefahr weiterer Eskalation, eine Fortführung des Krieges wird die Menschen zunehmend dauerhaft traumatisieren, führt zu ausufernder Aufrüstung und schon sehr bald zum atomaren Overkill, zu KI-gesteuerten Waffensystemen, die der Menschheit mit Sicherheit außer Kontrolle geraten werden und das Ende der Menschheit noch in diesem Jahrhundert einleiten und vermutlich auch abschließen werden.

Professor Münkler hat gute, sehr lesenswerte und hörenswerte Beiträge zum dreißigjährigen Krieg und vielen, vielen anderen Kriegen erarbeitet, was aber ihm zu fehlen scheint, ist sowohl die Einsicht wie auch Ahnung der Gefahr, in der sich die Menschheit befindet und die mit jedem Tag größer wird, die dieser Krieg mit blutigen Schritten weitergeht.




Dies ist der erste Teil einer von mir heute, dem 25. Februar 2023, begonnenen Reihe:

"Wider den Krieg,
wider die Selbstzerfleischung der Menschheit"