Samstag, 26. Dezember 2009

Offener Brief an Richard Dawkins

Sehr geehrter Richard Dawkins!

Ich habe das Interview mit Ihnen im Stern-Extra: "Die sechs Weltreligionen" gelesen.
Es ist betitelt mit einem Zitat von Ihnen:"Gott existiert mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht."
Ich möchte Ihnen in diesem Punkt widerspreche und schreibe Ihnen daher.
Mein Glaube ist: Gott existiert sicher nicht, wird aber sicher irgendwann existieren, nachdem die Idee Gottes vollständig verwirklicht wurde.

Damit bin ich einerseits Atheist, denn ich lasse keinen Restzweifel offen, ob Gott existiert oder nicht(vielleicht denken Sie: ach, die Deutschen, immer so radikal, werde aber meine Aussagen noch begründen), andererseits glaube ich an Gott als Schicksal des Universums.

Anselm von Canterburry gab mir dazu entscheidende Gedankenimpulse.
"Quo nihil maius cogitari potest", das, worüber hinaus nichts Grösseres (Vollkommeneres) gedacht werden kann, ist auch für mich Gott, ich glaube es besteht darüber sogar weltweit Konsens.

Dieser Gott sei allmächtig, ewig, vollkommen gerecht, allumfassend, der Höhepunkt aller Schönheit,allen Glücks, vollkommene Liebe.

Anselm nimmt nun an, Gott müsse existieren, denn alles Existierende sei vollkommener als das nicht existierende, Gott, der vollkommen, existiere also logischerweise.

Meine Entgegnung ist: Gott, der vollkommen, existiert oder WIRD existieren, entweder das eine oder andere reichen aus, damit die Idee Gottes vollkommener sei als das nicht existierende.
Es gilt also zu untersuchen, ob Gott schon existiert.

Der "Gott" des alten Testamentes wäre tatsächlich möglich, existierend in den Weiten des Universums, über Kräfte verfügend, die wir als Menschen nicht beherrschen, denen wir uns aber unterwerfen sollten, da wir von diesem "Gott" mit Krankheit, eventuell auch Tod bestraft werden können, möglicherweise Hautausschläge, Haarausfall, Impotenz, der Fantasie der "Gottesstrafen" sind nur sehr weite Grenzen gesetzt, wenn wir seinen Geboten nicht gehorchen.

Ist dieser Gott aber vollkommen in seiner Liebe? Sicher nicht, denn Wut ist mit vollkommener Liebe nicht vereinbar, auch nicht mit Allmacht. Wütend wird ein Lebewesen allein dann, wenn etwas gegen seinen Willen geschieht, ein allmächtiges Wesen hat aus seiner Definition heraus, keinen Anlass wütend zu werden, zornig, sich zu ärgern, zu empören, denn den Grund für solche Empfindungen müsste sich ein solches Wesen allein sich selbst zuschreiben, da es seine Allmacht nicht einsetzte, um die Empfindung zu verhindern.

Wenn etwas gegen meinen Willen geschieht und ich die Macht habe es zu verhindern, so lasse ich es zu.
Ein solches Wesen darf auch nicht als vollkommen in der Liebe betrachtet werden, denn es liesse Empfindungen zu, die eine gewisse Form des Leidens verursachen, lässt sich quälen, obwohl es diese Empfindungen aufgrund seiner Allmacht und vollkommenen Liebe, die die Selbstliebe per Definition miteinschliesst, hätte verhindern können.

Wir müssen daher ein solches Wesen für erstens: nicht allmächtig halten, zweitens als nicht vollkommen in seiner Liebe.

Damit kann dieses Wesen aber auch nicht Gott sein, es kann maximal eine Vorform des vollkommenen Gottes sein, ein Wesen mit mehr Macht als der Mensch, ein Wesen, das dem Menschen auch moralisch überlegen, ein Wesen, das offensichtlich sich scheut, jedem Zugang zu sich zu gewähren, aber einflussreiche Menschen zu gewinnen versteht, die aus den "Offenbarungen" jenes Wesens, Weltreligionen zu formen verstanden.
Mag sein, dass es ein solches Wesen gibt, ich halte das für recht unwahrscheinlich, wir können es aber auch nicht ausschliessen.

Was wir ausschliessen können ist, dass es einen allmächtigen und vollkommenen Gott gibt!
Es ist nicht denkbar, dass ein vollkommener Gott existierte, ohne dass das gesamte Universum mit einem Schlag vollkommen werden würde, vollkommen werden muss, denn alles andere wäre ein Mangel und damit nicht mehr vollkommen.

Das Gute stellen wir uns als Ziel vor, auf das sich unser Handeln hinbewegen soll. Das beste, das höchste denkbare Ziel ist, dass die gesamte Welt, das Universum gut seien, die reine Liebe, Schönheit, Gerechtigkeit.
Wir Menschen vermögen lediglich in winzigen Schritten uns einem solchen Ziel zu nähern,sind zahlreichen Irrtümern unterworfen, häufig stellt sich das, was wir gut wähnten als schlecht heraus, uns fehlt die Kraft, der Wille, unsere Ideen, Vorstellungen vom Guten in die Realität umzusetzen, nicht aber Gott: Gott sei allmächtig, somit muss er aus seiner Definition heraus,Ideen umsetzen können in die Wirklichkeit, Gott sei vollkommen in seiner Liebe und würde damit nicht zögern wollen, das Leid und den Tod augenblicklich zu überwinden.
Das ist nicht der Fall, deswegen kann Gott zur Zeit auch nicht existieren. Es gibt ihn nicht und gab ihn noch nie.
Das Wesen, das gemeinhin als Gott seitens der Weltreligionen bezeichnet wird, ist entweder nicht existent oder es ist nicht Gott, da nicht vollkommen aufgrund von Wutanfällen, Racheaktionen,Tatenlosigkeit angesichts der Hinrichtung des eigenen Sohnes, dem lächerlichen Bedürfnis sich anbetenzu lassen, sich gar anflehen zu lassen und meistens doch nicht zu handeln.

Für mich ist der Gott der Weltreligionen ein Phantasieprodukt der Menschen, um Halt und Trost zu finden und den moralischen Geboten eine höhere Autorität zu verleihen.

Wissen kann ich es nicht, dass solche Gottes-Wesen existieren oder nicht esistieren, so wie wir auch nicht wissenkönnen, ob "Feen oder .. unsichtbare Wesen in rosa Uniformen" existieren, darin stimme ich Ihnen, Mr. Dawkins, ausdrücklich zu.

Dass die Idee eines höchsten, allmächtigen, vollkommenen Wesens schon heute Wirklichkeit, kann ich jedoch sicher ausschliessen!

Wieso aber bin ich mir ebenfalls sicher, dass ein höchstes, vollkommenes, allmächtiges Gott-Wesen einmal existierenwird, sogar das Ziel der Evolution, unser aller Aufgabe mit ganzem Herzen, mit aller Kraft, mit Verstand und Seele darauf hinzuarbeiten?

Das habe ich auch ein wenig Ihnen zu verdanken, Mr. Dawkins, denn Sie erklärten mir in schönen, nachvollziehbarenBeispielen, in klaren Worten, was Evolution ist und wie sie funktioniert ( "the blind watchmaker" hat mir die Augen für das Wirken der Evolution geöffnet ).

Ich habe begriffen, dass Evolution ständig nach Nischen sucht, ohne planvollen Willen, allein aufgrund der Variationen die bei den komplexen Mölekülen, die genetisch relevant, ständig vorkommen. Vieles ist "Ausschuss", vieles bringt potentiellen Fortschritt, oder in Anlehnung an Nietzsche: Höhersteigen, wirkt sich aber nicht aus, nur früher oder später werden die Möglichkeiten ergriffen, die die Welt uns bietet: Luft bietet Widerstand, also entwickelte die Evolution Flügel, erst klitzekleine, um zum Beispiel den Sprung aus einem Nest besser zu überleben (Nestbau machte auch Sinn, da dort besser vor Fressfeinden geschützt), bis hin zu Flugsauriern, die beweisen, allein fliegen zu können reicht auch nicht, aber immerhin haben wir ja heute noch die Albatrosse um uns an deren elegantem Flug zu ergötzen.

Die Evolution entdeckte die Liebe, es dauerte lange, zunächst war Aggression wichtiger, purer Fortpflanzungstrieb,aber allmählich wurde das Liebesgefühl zarter, schöner bis hin zu jenem Morgen in Verona, den süssen Worten an den Liebsten, es sei die Nachtigall gewesen und nicht die Lerche.

Das Leben ist ständig vom Untergang bedroht, Vulkanausbrüche könnten erneut zu einem massenhaften Artensterben führen,Metereoiteneinschläge katastrophalen Ausmasses sind nicht ausgeschlossen, auch nicht, dass der Mensch sich einmalkomplett selbst in die Luft jagt (potentieller Zweck der Atomwaffen, von denen ihr Heimatland ja auch noch eine Reihe besitzt und die jetzt modernisiert werden sollen, vernahm ich, nicht abgeschafft)!

Es liegt mir fern zu behaupten, ich wüsste sicher, dass die Menschheit überlebte, ich wünsche es mir, obwohl ich gelegentlich von Zweifeln angenagt, wessen ich mir aber sicher ist: im Universum wird Leben immer wieder entstehen, alles Leben unterliegt der Evolution, ohne Evolution ist Leben nicht denkbar, Evolution ist ein universelles Gesetz, irgendwann wird es der Evolution auch gelingen den allmächtigen, ewigen, vollkommenen Gott zu verwirklichen, denn allein Gott wird ewig leben können, die Alternative wäre der Kältetod aufgrund ständiger Entropiezunahme, den einige Physiker postulieren, an den ich aber nicht glaube.
Die Naturwissenschaft ist unabdingbar zur Verwirklichung Gottes, die Wahrheit zu finden, denn nur was wahr, kann dauerhaft überleben, die Wissenschaft allein aber wird nicht ausreichen: alle Physik, Mathematik, Biologie, Chemie werden nicht ausreichen, um Liebe zu "produzieren", "herzustellen", letztlich ist dazu das Gefühl, das wissenschaftlich nicht exakt fassbare, die echte Liebe nötig,

allein die Wahrheit und die Liebe machen uns wirklich frei und führen das Leben zu Gott!

herzlichst

Gerhard Stenkamp

Sonntag, 13. Dezember 2009

Anmerkung zur Subjektivität der Moral 01

Anmerkungen zur moralischen Subjektivität

Alle Moral ist subjektiv, selbstverständlich auch Dogmen, gleichgültig mit wieviel Weihrauch und von welch hoher Kathedra, sie verkündet wurden, alle Moral ist subjektiv, da kein Mensch vollkommen, da alles menschliche Wissen, alle Aussagen zur Moral immer nur Näherungen darstellen.

Es mag eingewendet werden: ist denn ein Kindermörder nicht immer und überall auf der Welt schuldig? Offensichtlich nicht, denn täglich kommen Kinder um, weil den Menschen bisher nicht gelungen, den Kindern dieser Welt genügend zu essen zu geben, obwohl bei uns nicht hunderte, sondern viele tausende Tonnen Nahrungsmittel täglich weggeworfen werden. Das betrübt ohne Zweifel viele Menschen, schlaflose Nächte haben die meisten jedoch nicht, demonstriert wird deswegen nur selten, eine Revolution anzuzetteln kommt sowieso nicht in Frage, da die Teilnehmer, die Planer vom Staatsschutz schnell identifiziert würden und ziemlich sicher ins Gefängnis gingen, auch wenn sie das hehre Ziel hätten durch eine Revolution weltweit allen oder zumindest vielen Kindern dieser Welt ausreichend zu essen zu geben.

Nehmen wir nun an, im Dorf x, mit fünftausend Einwohnern wären 10 Kinder entführt worden, nach drei Monaten intensiven Suchens, verzweifelter Appelle der Eltern unter Strömen von Tränen, deren Bilder gewinnträchtig um die Erde gejagt werden, findet man sie wieder, alle verhungert und verdurstet: ein Bild des Schreckens, des reinen Grauens, deren Bilder noch schneller um die Erde jagen, noch gewinnträchtiger: der Fotograf, dem die exklusiven Fotos gelangen, hat ausgesorgt! Dieses Dorf x befinde sich nördlich von Gibraltar und westlich der Weichsel, vielleicht im Harz: ein Aufschrei, die Weltpresse würde ihren nimmermüden Focus auf jene kleine Erhebung im Herzen Deutschlands richten, recherchieren, was zu recherchieren, Mythen eingeschlossen.

Wo liegt der Unterschied? Deutschland gilt als "entwickelt", als "dazugehörig" zum Club der Reichen und da ist das ein Verbrechen, dem höchste Aufmerksamkeit gebührt, wenn in Darfur Kinder verhungern, so ist das auch falsch, moralisch verwerflich aber nicht so verwerflich, dass es ausser wenigen, näher interessiert, schon gar nicht im Detail.

Wir Menschen haben noch nicht gelernt, jeden Mitmenschen als "gleichwertig" zu betrachten, Human Rights Watch und Amnesty International versuchen das zu ändern, sind aber im Vergleich zur schweigenden Mehrheit eine kleine Minderheit.

Wir lassen weltweit den Tod von vielen Kindern zu, 2004 täglich den Tod von 30 000,
ich wiederhole: 30 000
infolge von Hunger, Austrocknung, vermeidbarer Krankheiten.

http://www.unicef.de/index.php?id=1171

Wenn ich also behaupte, alle Moral ist subjektiv, alle Moral versucht auch immer, den Eigeninteressen zu dienen, hübsch versteckt, so habe ich hier ein monströses Beispiel gebracht, heute, am dritten Advent 2009!