Jakob, das zweite Kind der Marie-Luise Gerbauer, Aushilfskraft in einer Wäscherei, unehelich geboren, war eigentlich ein liebenswertes Kind: viele streichelten seine Locken, fassten ihm unters Kinn, „Ach, der kleine Jakob“ und als er eine Brille bekam, weil er leicht schielte, wurde das nicht weniger, eher mehr.
„Kannst Du mir helfen, Jakob, ich bücke mich nicht mehr gerne, mir ist der Schlüssel runtergefallen, wo ist er denn?“ und eifrig hatte er ihn schon, der kleine Jakob, „Ich habe ihn, Frau Leuter, hier ist er:“
Frau Leuter streichelte dann seinen Kopf, sie drückte ihn und fragte: „Hast Du viele Freunde?“
„Nein, Frau Leuter, ich habe keine Freunde, sie mögen mich nicht, ich schiele.“
„Du schielst, das habe ich noch nicht einmal bemerkt, Du schielst doch nicht, schau mich an“, nahm in ihre warmen Hände sein Gesicht und schaute ihn direkt an.
„Stimmt, etwas schielst Du, leicht, deswegen mögen dich die anderen Jungens nicht?“
„Ich weiss es nicht, sie sagen auch, ich sei der Sohn einer Hure.“
Frau Leuter liess die Hände fahren, „Jakob, lieber Jakob, was ist denn das, was redest Du denn hier, wer sagt das, sag mir, wer das sagt.“
„Alle, es gibt keinen Jungen, der nicht Hurensohn zu mir sagt.“
Frau Leuter stand auf, drehte sich um, öffnete den Schrank, nahm Tassen heraus, öffnete zwei Schubladen, das Geräusch von Besteck, Schweigen.
„Hast Du einen Klassenlehrer?“
„Nein, eine Klassenlehrerin“
„Wie heisst sie denn? Hast Du was dagegen, wenn ich mit ihr spreche?“
„Nein, hab ich nicht, sie ist nett,“
„Jakob, iss, das ist leckerer Käsekuchen mit Rosinen, den magst Du doch,, ich habe an Dich gedacht, als ich ihn machte, iss ihn bitte.“ strich sein Haar und schaute sehr seltsam, so wie Jakob es noch nie gesehen.
Drei Tage später, im Mai, fand man Jakob:
Er hatte sich erhängt.