In der Psychoanalyse wird der Gottglaube als eine Form des Wunschdenkens betrachtet, eine Projektion.
In der Projektion werden innerpsychische Konflikte auf andere Menschen, Menschengruppen, Lebewesen Dinge und Ideen übertragen.
So kann ein Kind nach Dingen treten, schlagen, an denen es sich schmerzhaft verletzt hat, bezeichnet den Gegenstand als „böse“ und wird ihn folgerichtig in Zukunft eine Zeit lang meiden.
Damit bleibt die Integrität des Kindes erhalten, dass es den Anforderungen des Lebens genügt (nicht das Ich hat versagt, der Stein, das Messer sind „böse“) und zugleich schützt es sich vor einer Wiederholung des Übels.
Negative Gefühle gegenüber der Mutter werden beispielsweise in Märchen regelmäßig so verarbeitet, dass die Mutter durch und durch gut, liebevoll, aber stirbt, der Vater wieder heiratet, da er dem Kind eine „neue“ Mutter schenken möchte, diese aber abgrundtief böse, dem Kind das Leben unerträglich macht, ihm sogar häufig nach dem Leben trachtet. Dafür muss die „böse“ Stiefmutter gerechterweise sterben, während das Kind, befreit von der Gefahr, fortan ein Leben in Glück führen kann.
Im Zuge der psychischen Reifung eines Menschen findet ein fortlaufender Prozess der Ablösung von den Eltern statt, der regelmäßig mit Unsicherheiten und Ängsten verbunden ist.
Idealisierte Elternfiguren in Form des Gottvaters und der Gottesmutter können die negativen Gefühle kompensieren und in positives Erleben umwandeln.
Beispielhaft sei genannt: „Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand.“
Die psychoanalytische Erklärung des Glaubens an bestimmte Gottesbilder ermöglicht auch zu verstehen, warum viele Menschen trotz offensichtlicher Widersprüche im Gottesbild und zahlreicher irrationaler religiöser Denkweisen daran festhalten: Das Gottesbild aufzugeben, lieferte sie Ängsten und damit Gefahren aus, die durch den Glauben abgewehrt werden.