Schon als junger Mann auf dem Gymnasium hat der Autor dieser Zeilen sich gefragt, wie es denn möglich sei, Stelle XY aus dem Heiligen Buch Z sei "unumstößlich wahr". Auf die vorsichtig formulierte Frage an Vertreter des Lehrerkollegiums war die Antwort: Es handele sich um "göttliche Offenbarung", die in Schrift gefasste Stimme Gottes. Daran zu zweifeln, ginge darum in Richtung Blasphemie, und damit war auch klar, dass offen geäußerte Zweifel dem Notendurchschnitt nicht förderlich.
Zweifel müssen aber keineswegs unmittelbar, laut und offen entwickelt werden, sie lassen sich zurückstellen, möglich, dass dem Autor in der Zwischenzeit selbst eine Offenbarung zuteil werden würde oder ein Zeichen, das nicht natürlich erklärbar und eine übernatürliche Ursache hätte.
In seiner unmittelbaren Umgebung kam dies regelmäßig vor: Eine schwarze Katze läuft im November frühmorgens bei Nebel über die Straße, womit vorherbestimmt, dass im Laufe dieses Tages ein Unglück geschähe.
Bestimmte Kleidungsstücke brachten Glück und Zuversicht, wenn sie zu einer Prüfung getragen wurden.
Und vieles mehr.
Insgesamt aber verfehlten all diese Indizien für das Wirken einer übernatürlichen Macht oder Mächte ihren Eindruck auf den Autor insofern, als er schließlich davon überzeugt, dass es sich in all diesen Fällen, inklusive der Heiligen Schriften um Glauben handele, nicht um beweisbare Zusammenhänge.
Wenn also am Tag mit der schwarzen Katze tatsächlich ein Unglück geschähe, so ist es nicht möglich, den Zusammenhang zu beweisen und auch nicht möglich den Zusammenhang zu widerlegen. Die Menschheit ist in sehr vielem auf Glauben angewiesen, der sich im Laufe der Zeit als sinnvoll und sinnstiftend herausstellt oder aber immer wieder erhebliche Kollisionen mit der Wirklichkeit erleidet oder sich als nicht zukunftsfähig herausstellt.
Eines der Hauptanliegen im Leben des Autors dieser Zeilen war und ist, einen Glauben zu erarbeiten, der zukunftsfähig, denn in den bisher entwickelten Religionen und Philosophien stellte er immer wieder starke Defizite der Erkenntnisqualität fest und unüberbrückbare Brüche mit der Realität, wie er sie wahrnimmt.