Dienstag, 17. Januar 2012

Sehr geehrter Herr Nietzsche!

Grab Friedrich Nietzsches in Röcken, etwa 20 Kilometer südwestlich von Leipzig. Dort wurde Nietzsche geboren und auch bestattet. Bildquelle, alle Links aufgerufen am 17.1.2011!

Ich zitiere aus Ihrem inzwischen weit verbreitetem Werk „Die fröhliche Wissenschaft“  und zwar aus dem Aphorismus „Der tolle Mensch“:
„Wohin ist Gott? ---- Wir haben ihn getödtet, - ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder!....Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht?... Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getödtet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“ (Quelle)
Leider sind Sie ja nun selbst tot, dennoch richte ich mein Wort an Sie, da ich an ein Leben nach dem Tod glaube, in sehr ferner Zukunft, der fernsten Zukunft, und ich möchte mir die Worte schon einmal zurecht legen, die ich dann an Sie richten möchte.
Ihre Vorstellung von Gott war stark durch die Zeit geprägt, in der sie lebten: Ein strafender Gott, wenn man bestimmte, teilweise nicht einsichtige Normen übertrat, ein barmherziger Gott, wenn man sich ihm unterwarf, ein Gott, den die Ungerechtigkeit der Welt wenig kümmerte, ein willkürlicher Gott, ein Gott der Kirchen, ein widersprüchlicher Gott, ein Gott, der Schwache der Tyrannei der Mächtigen aussetzte, ein unverständlicher Gott, ein unglaubwürdiger Gott.
Sie machten sich von dieser Vorstellung frei, indem sie Gott für tot erklärten.
Sie haben aber Recht: Ohne Gott ist die Welt arm, kalt, trostlos!
Es gibt auch einen anderen Weg, als Gott für tot zu erklären: Ich habe mich befreit, indem ich Gott als nicht existent annahm: Es gab keinen Schöpfer, es gibt eine Welt, die teilweise verständlich, teilweise unverständlich, die aber nicht Werk Gottes und keinem göttlichen Hinweinwirken unterworfen.
Einen Gott, der nie existierte, braucht man selbstverständlich auch nicht zu töten!
Dennoch glaube ich an Gott, an Gott als die höchste denkbare und lebensfähige Idee. Gott wird sich im Laufe des Universums entwickeln, Gott ist noch nicht realisiert, wird aber realisiert werden.
Dieser Gedanke schenkt Trost, Wärme, einen Anflug von Glück, Hoffnung, gibt Halt und Kraft, das irdische Leben so gut wie möglich zu bestehen.

 
Da ich an Gott glaube, indem ich glaube, dass er einst sein wird, glaube ich auch, dass wir uns einstmals sehen werden, sehr geehrter Herr Nietzsche und habe das hier schon einmal aufgeschrieben, um es Ihnen zu sagen!

 
Bis zum nächsten Mal!