Es begab sich aber zu jener Zeit,
vor tausend oder zweitausend Jahren – so genau weiß man das nicht mehr – sehr weit
südlich von hier, da dann erst links, danach rechts, dass eine Frau namens
Maria mit ihrem ersten Kinde schwanger ging. Maria war gesund, schön und voller
Freude über das ungeborene Kind, das schon bald zur Welt kommen sollte.
Da sie zu ihrem Mann Josef in das
Dorf gezogen war und sich noch nicht recht eingelebt hatte, sich auch nach
ihren Eltern und ihrer Schwester sehnte, sprach sie zu ihrem Mann Josef:
„Lieber Josef, bald ist unser
Freudentag und wird unser Kind das Licht der Welt erblicken. Ich fürchte mich
aber ein wenig vor der Geburt. Lass uns zu meinen Eltern gehen, damit meine
Mutter und meine Schwester mir in der schweren Stunde beistehen können.“
Josef, der gutmütig und liebevoll zu
Maria war, hatte aber Sorge, dass die Reise zu lang und beschwerlich:
„Liebe Maria, es ist die dunkle
Jahreszeit, schon in wenigen Tagen feiern wir das Lichterfest, viele Menschen
sind jetzt unterwegs, die Herbergen voll, es ist doch besser hier zu bleiben,
wo wir einen Herd haben, es warm ist und die Beschwerden der Reise dir erspart
bleiben.“
Aber Maria drängte so lange, bis Josef schließlich nachgab, den Esel packte
und sie die Reise zu den Eltern Marias antraten, die zwei Tagesritte entfernt
wohnten.
Es war kalt und stürmisch, ab und an
zogen Schauer über das Land und manchmal schneite es sogar.
So zogen sie, in ihre Mäntel gepackt
und eine Decke um die Schultern vorbei an Felsen, Schluchten durch das Land,
das im Frühjahr so herrlich blüht und duftet, das jetzt aber grau, unwirtlich
und kalt.
Als sie eine besonders steile Stelle
überwunden hatten und der Pfad wieder hinab führte, rutschte der Esel plötzlich
auf den lockeren Steinen und fing sich geschickt mit einem Ausfallschritt auf,
doch Maria verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Voller Schrecken ließ
Josef die Zügel fahren und kniete sich neben Maria, die ihren Bauch mit beiden
Händen hielt und leise wimmerte.
„Maria, was ist mit dir, du hast Schmerzen!“
Maria konnte kaum antworten: „Das Kind, das Kind! Ich glaube, das Kind kommt.“
Da fuhr es Josef durch die Glieder,
es war als hätte er plötzlich die Kraft zweier Männer, nahm Maria auf seine Arme,
setzte sie auf den Esel zurück und begann zu laufen. Er wusste, dass eine
kleine Siedlung in der Nähe, dort gab es eine Herberge und dort mussten sie
hin, so schnell er und der Esel nur laufen konnten.
Schon von weitem rief er, „Hallo,
guter Herbergsvater, macht die Türe auf, Maria, meine Frau ist schwanger und
das Kind kommt, lasst uns ein.“
Und als sich nichts regte rief er
noch einmal und noch lauter: „Guter Herbergsvater, öffnet die Tür. Schnell!“
Da wurden die Läden des rechten
Fensters im ersten Stock einen Spalt breit auf geschoben und ein Mann antwortete
grob: „Was schreist Du hier herum, was willst Du?“
„Maria, meine Frau ist schwanger und
das Kind kommt. Wir brauchen Hilfe, öffnet die Tür und lasst uns ein.“
„Hast Du Geld? Meine Herberge ist schon
überfüllt zum Lichterfest, ich habe nichts mehr frei und wenn du keine zwei
Goldstücke hast, dann pack dich und zieh weiter mit deiner schwangeren Frau,
denn Scherereien kann ich nicht gebrauchen.“
Josef aber war weit davon entfernt,
zwei Goldstücke zu besitzen. „Zwei Kupfermünzen habe ich“ rief Josef zurück, „die
gebe ich Dir gerne, lass uns nur jetzt bitte herein. Maria hat so starke Schmerzen!“
Der Herbergswirt aber lachte
höhnisch. „Zwei Kupfermünzen? Willst Du mich auf den Arm nehmen? Pack Dich mit
Deiner Frau oder ich schicke Dir meinen Knecht! Der kommt aber nicht allein und
lässt dich die Peitsche schmecken! Verschwinde, wenn Dir Deine Knochen lieb.“
Mit diesen Worten riss er die
Fensterläden wieder zu.
Der Wind fuhr Josef in den Mantel, kalte
Regentropfen rannen seine Wangen herab, es schauderte ihn. Zwei Hunde bellten. Nirgends wusste er sich zu wenden, Verzweiflung und Angst ließen ihn
zittern.
Ohne zu wissen wohin, zog er den
Esel fort und wagte nicht einmal, sich nach Maria um zudrehen.
Da sah er in der Ferne ein schwaches
Licht und hielt darauf zu. Er musste eine Unterkunft finden, ein Dach, ganz
gleich wie. Als sie näher kamen, sah er, dass es eine kleine Hütte war, mit nur
einem Fenster, durch dessen Ritzen die Lichtstrahlen drangen. Er klopfte an die
Tür und rief: „Gute Menschen, habt Erbarmen, lasst uns ein. Meine Frau Maria
ist schwanger und hat große Schmerzen.“
Da ging die Tür auf und ein alter
Mann, der leicht gebückt und viele Runzeln im Gesicht, antwortete ihm:
„Kommt nur herein, wenn euch unsere
bescheidene Hütte genügt. Wir können euch nicht viel bieten, außer ein wenig
Milch und den Laib Brot mit euch teilen. Zwei getrocknete Feigen haben wir auch
noch und ein paar Oliven. Aber kommt nur herein, ihr seid ja ganz durchfroren!“
Josef war überglücklich. Er hob
Maria vom Esel und stützte sie, da sie alleine nicht mehr gehen konnte. Die Frau
des alten Mannes kam hinzu, nahm Marias anderen Arm und sie betteten Maria auf die
Strohmatte.
Die Frau des alten Mannes hatte
selbst sechs Kinder zur Welt gebracht und bei vielen Geburten geholfen. Sie wusste
genau, was zu tun war!
So als wäre ein Wunder geschehen, verwandelte
sich die große Not in reine Freude, als wenig später die alte Frau lächelnd ein
kleines Kind Maria auf den Bauch legte und Maria überströmte vor Glück.
Da klopfte es ein zweites Mal an der
Tür, der alte Mann öffnete und draußen vor der Hütte stand eine große Zahl
Menschen, darunter drei fürstlich gekleidete Herren mit ihren Dienern, die
Fackeln hielten.
„Seid gegrüßt“, riefen sie, „wir
sind dem Paar mit der schwangeren Frau von der Herberge aus gefolgt, wo wir zu
Gast waren und mitbekamen, wie sie so schmählich abgewiesen wurden.“
Die drei fürstlich gekleideten
Männer traten in die Hütte, sahen Maria und das Kind und riefen voll
Freude:
„Die Welt war dunkel und kalt, aber auch
in tiefer Nacht erblühte die Liebe und ließ die Hoffnung erwachen. Ein Kind
erfüllt die Herzen mit Licht. Lasst uns das Lichterfest hier feiern, wo Liebe
herrscht und die Angst besiegt.“
Sie beschenkten das Kind mit vielen
Gaben, ließen ihre Diener zurück laufen, Essen und Trinken zu holen und entzündeten
ein großes Feuer und viele Fackeln, wie es zum Lichterfest üblich.
Hirten kamen mit ihren Schafen, Sturm
und Regen waren vorüber gezogen, die Sterne leuchteten und es war, als sängen
Engel am Firmament.
Seitdem feiert man dann, wenn es im
Jahr am dunkelsten ist, nicht nur das Fest des Lichtes sondern auch das Fest
der Liebe, zur Erinnerung an das kleine Kind, das fast mit seiner Mutter an der
Lieblosigkeit der Menschen umgekommen wäre, dann aber doch Güte und Liebe fand
und gerettet wurde.
Die Erwachsenen machen an diesen
Tagen den Kindern der Welt Geschenke als Zeichen der Liebe und die, die zu arm
sind, um Geschenke zu kaufen, nehmen ihre Kinder in den Arm und sagen ihnen, wie sehr sie sie lieben!
Das größte und schönste Geschenk:
Die Liebe!
Der Weihnachtsstern, Bildquelle, aufgerufen am 26.12.2011! |