Montag, 26. Dezember 2011

Die Weihnachtsgeschichte, neu gedeutet!


Es begab sich aber zu jener Zeit, vor tausend oder zweitausend Jahren – so genau weiß man das nicht mehr – sehr weit südlich von hier, da dann erst links, danach rechts, dass eine Frau namens Maria mit ihrem ersten Kinde schwanger ging. Maria war gesund, schön und voller Freude über das ungeborene Kind, das schon bald zur Welt kommen sollte.
Da sie zu ihrem Mann Josef in das Dorf gezogen war und sich noch nicht recht eingelebt hatte, sich auch nach ihren Eltern und ihrer Schwester sehnte, sprach sie zu ihrem Mann Josef:
„Lieber Josef, bald ist unser Freudentag und wird unser Kind das Licht der Welt erblicken. Ich fürchte mich aber ein wenig vor der Geburt. Lass uns zu meinen Eltern gehen, damit meine Mutter und meine Schwester mir in der schweren Stunde beistehen können.“
Josef, der gutmütig und liebevoll zu Maria war, hatte aber Sorge, dass die Reise zu lang und beschwerlich:
„Liebe Maria, es ist die dunkle Jahreszeit, schon in wenigen Tagen feiern wir das Lichterfest, viele Menschen sind jetzt unterwegs, die Herbergen voll, es ist doch besser hier zu bleiben, wo wir einen Herd haben, es warm ist und die Beschwerden der Reise dir erspart bleiben.“
Aber Maria drängte so lange,  bis Josef schließlich nachgab, den Esel packte und sie die Reise zu den Eltern Marias antraten, die zwei Tagesritte entfernt wohnten.
Es war kalt und stürmisch, ab und an zogen Schauer über das Land und manchmal schneite es sogar.
So zogen sie, in ihre Mäntel gepackt und eine Decke um die Schultern vorbei an Felsen, Schluchten durch das Land, das im Frühjahr so herrlich blüht und duftet, das jetzt aber grau, unwirtlich und kalt.
Als sie eine besonders steile Stelle überwunden hatten und der Pfad wieder hinab führte, rutschte der Esel plötzlich auf den lockeren Steinen und fing sich geschickt mit einem Ausfallschritt auf, doch Maria verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Voller Schrecken ließ Josef die Zügel fahren und kniete sich neben Maria, die ihren Bauch mit beiden Händen hielt und leise wimmerte.
„Maria, was ist mit dir, du hast Schmerzen!“ Maria konnte kaum antworten: „Das Kind, das Kind! Ich glaube, das Kind kommt.“
Da fuhr es Josef durch die Glieder, es war als hätte er plötzlich die Kraft zweier Männer, nahm Maria auf seine Arme, setzte sie auf den Esel zurück und begann zu laufen. Er wusste, dass eine kleine Siedlung in der Nähe, dort gab es eine Herberge und dort mussten sie hin, so schnell er und der Esel nur laufen konnten.
Schon von weitem rief er, „Hallo, guter Herbergsvater, macht die Türe auf, Maria, meine Frau ist schwanger und das Kind kommt, lasst uns ein.“
Und als sich nichts regte rief er noch einmal und noch lauter: „Guter Herbergsvater, öffnet die Tür. Schnell!“
Da wurden die Läden des rechten Fensters im ersten Stock einen Spalt breit auf geschoben und ein Mann antwortete grob: „Was schreist Du hier herum, was willst Du?“
„Maria, meine Frau ist schwanger und das Kind kommt. Wir brauchen Hilfe, öffnet die Tür und lasst uns ein.“
„Hast Du Geld? Meine Herberge ist schon überfüllt zum Lichterfest, ich habe nichts mehr frei und wenn du keine zwei Goldstücke hast, dann pack dich und zieh weiter mit deiner schwangeren Frau, denn Scherereien kann ich nicht gebrauchen.“
Josef aber war weit davon entfernt, zwei Goldstücke zu besitzen. „Zwei Kupfermünzen habe ich“ rief Josef zurück, „die gebe ich Dir gerne, lass uns nur jetzt bitte herein. Maria hat so starke Schmerzen!“
Der Herbergswirt aber lachte höhnisch. „Zwei Kupfermünzen? Willst Du mich auf den Arm nehmen? Pack Dich mit Deiner Frau oder ich schicke Dir meinen Knecht! Der kommt aber nicht allein und lässt dich die Peitsche schmecken! Verschwinde, wenn Dir Deine Knochen lieb.“  
Mit diesen Worten riss er die Fensterläden wieder zu.
Der Wind fuhr Josef in den Mantel, kalte Regentropfen rannen seine Wangen herab, es schauderte ihn. Zwei Hunde bellten. Nirgends wusste er sich zu wenden, Verzweiflung und Angst ließen ihn zittern.
Ohne zu wissen wohin, zog er den Esel fort und wagte nicht einmal, sich nach Maria um zudrehen.
Da sah er in der Ferne ein schwaches Licht und hielt darauf zu. Er musste eine Unterkunft finden, ein Dach, ganz gleich wie. Als sie näher kamen, sah er, dass es eine kleine Hütte war, mit nur einem Fenster, durch dessen Ritzen die Lichtstrahlen drangen. Er klopfte an die Tür und rief: „Gute Menschen, habt Erbarmen, lasst uns ein. Meine Frau Maria ist schwanger und hat große Schmerzen.“
Da ging die Tür auf und ein alter Mann, der leicht gebückt und viele Runzeln im Gesicht, antwortete ihm:
„Kommt nur herein, wenn euch unsere bescheidene Hütte genügt. Wir können euch nicht viel bieten, außer ein wenig Milch und den Laib Brot mit euch teilen. Zwei getrocknete Feigen haben wir auch noch und ein paar Oliven. Aber kommt nur herein, ihr seid ja ganz durchfroren!“
Josef war überglücklich. Er hob Maria vom Esel und stützte sie, da sie alleine nicht mehr gehen konnte. Die Frau des alten Mannes kam hinzu, nahm Marias anderen Arm und sie betteten Maria auf die Strohmatte.
Die Frau des alten Mannes hatte selbst sechs Kinder zur Welt gebracht und bei vielen Geburten geholfen. Sie wusste genau, was zu tun war!

So als wäre ein Wunder geschehen, verwandelte sich die große Not in reine Freude, als wenig später die alte Frau lächelnd ein kleines Kind Maria auf den Bauch legte und Maria überströmte vor Glück. 

Da klopfte es ein zweites Mal an der Tür, der alte Mann öffnete und draußen vor der Hütte stand eine große Zahl Menschen, darunter drei fürstlich gekleidete Herren mit ihren Dienern, die Fackeln hielten.
„Seid gegrüßt“, riefen sie, „wir sind dem Paar mit der schwangeren Frau von der Herberge aus gefolgt, wo wir zu Gast waren und mitbekamen, wie sie so schmählich abgewiesen wurden.“
Die drei fürstlich gekleideten Männer traten in die Hütte, sahen Maria und das Kind und riefen voll Freude:

„Die Welt war dunkel und kalt, aber auch in tiefer Nacht erblühte die Liebe und ließ die Hoffnung erwachen. Ein Kind erfüllt die Herzen mit Licht. Lasst uns das Lichterfest hier feiern, wo Liebe herrscht und die Angst besiegt.“

Sie beschenkten das Kind mit vielen Gaben, ließen ihre Diener zurück laufen, Essen und Trinken zu holen und entzündeten ein großes Feuer und viele Fackeln, wie es zum Lichterfest üblich.
Hirten kamen mit ihren Schafen, Sturm und Regen waren vorüber gezogen, die Sterne leuchteten und es war, als sängen Engel am Firmament.

Seitdem feiert man dann, wenn es im Jahr am dunkelsten ist, nicht nur das Fest des Lichtes sondern auch das Fest der Liebe, zur Erinnerung an das kleine Kind, das fast mit seiner Mutter an der Lieblosigkeit der Menschen umgekommen wäre, dann aber doch Güte und Liebe fand und gerettet wurde. 
  
Die Erwachsenen machen an diesen Tagen den Kindern der Welt Geschenke als Zeichen der Liebe und die, die zu arm sind, um Geschenke zu kaufen, nehmen ihre Kinder in den Arm und sagen ihnen,  wie sehr sie sie lieben!

Das größte und schönste Geschenk: Die Liebe!


Der Weihnachtsstern, Bildquelle, aufgerufen am 26.12.2011!