Montag, 2. Dezember 2013

Sehr geehrter Herr Gabriel!

Offener Brief an den Parteivorsitzenden der SPD, Herrn Sigmar Gabriel!

Sehr geehrter Herr Gabriel!

Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags sagten Sie, Herr Gabriel:
„Ich will ausdrücklich sagen, der Koalitionsvertrag ist auch einer für die kleinen Leute.“ (ARD-Sondersendung Tagesschau-extra vom 27.11.2013!)

Ich nehme an, dass Sie damit nicht Menschen kleinen Körperwuchses meinten.

Wen denn dann aber?
 
Wer in eine Internet-Suchmaschine „Kleine Leute“ eingibt, erhält Angebote für Hüpfburgen mit aufblasbaren Eventmodulen und Hinweise auf einen Film aus dem Jahre 1958 „Kleine Leute mal ganz groß“, der auch unter dem Titel „Turboscharfe Ferien“ gezeigt wurde. In dem Film geht es um vier Berliner Großstadtkinder, die ihre Ferien in Gastfamilien verbringen, wobei Herr Wurst herausfindet, dass Sabinchen seine uneheliche Tochter!

Aber auch Wortzusammenstellungen wie „Kleine Leute – Großer Gott“, „Kleine Leute – Große Reise“ werden unter der Sucheingabe als Ergebnis angezeigt!

Gemeint sind damit durchweg Kinder.

Aufgefallen sind mir auch entwürdigende Witze wie dieser: „Bei deiner Größe bist Du der ideale Fußballspieler: Immer auf Ballhöhe!“

Nach dem logischen Ausschlussverfahren bleibt mir nur die Möglichkeit anzunehmen, dass Sie mit „kleinen Leuten“ die Gruppe der Mitbürger Deutschlands gemeint haben müssen, die über ein geringes Einkommen verfügen!

Diese Menschen als „kleine Leute“ zu bezeichnen, ist eine Schmähung!

Männer mit geringem Einkommen sterben in Deutschland 11 Jahre früher als Männer mit gutem Einkommen, zu denen auch Sie gehören, Herr Gabriel.

Diese Männer sterben nicht nur früher, weil sie im Durchschnitt schwerer arbeiten müssen als Männer mit gutem Einkommen, für härtere Arbeit schlechter bezahlt werden, sondern auch, weil die schlecht bezahlte Arbeit eher verachtet als geachtet wird und eher in Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit mündet.

Dass Sie vorgeben, sozial zu handeln und soziale Politik zu gestalten, zugleich diejenigen, denen geholfen werden soll, aber als „kleine Leute“ diffamieren und beleidigen, ist bezeichnend und entlarvend.

Wer so zu erwachsenen Mitmenschen spricht, kann nicht mit seinem Herzen sozial empfinden!

Ich hoffe nicht auf eine Entschuldigung der Ehrenkränkung, ich handele in erster Linie aus dem Wunsch, meinem Gewissen zu genügen.

Ich bitte Sie hiermit aber, die Bezeichnung erwachsener  Mitmenschen als „kleine Leute“ in Zukunft zu unterlassen, denn diese Bezeichnung ist ehrverletzend und herablassend!

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Stenkamp